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FILMOGRAFIE - eine Auswahl

DIE JUNGS

Dokumentarfilm (90 Min.), Produktion Diaz Film 2017
Die Langzeitbeobachtung einer Freundesgruppe portraitiert fünf Anfang zwanzigjährige ‚Jungs’, die sich im Lauf von 10 Jahren häuten und entfalten und in ‚gestandene Männer’ verwandeln. Mithilfe einer zurückhaltend-beobachtenden Drehweise und einem starken persönlichen Bezug erschließen sich fünf Charaktere, die unterschiedlicher kaum sein könnten, aber trotzdem dicke Freunde sind. Oder waren? Was sind ihre Träume, Wünsche, Hoffnungen mit 22? Und was ist nach 10 Jahren daraus geworden?

Der coming-of-age Film begleitet Marek, Alex, Simon, Yuhan und Joey während sie chillen, selbstironische Videos drehen oder reden: Zum Beispiel über die Möglichkeit, dass die Entscheidung für ein Studienfach, die man sich gerade abgerungen hat, doch die falsche und somit wahrscheinlich das ganze Leben vermasselnde war... Oder über die Eltern, den Sinn des Lebens und nicht zuletzt die ramponierte Welt. Ein Haupt-Thema mit 22: Die scheinbar so viel selbstbewussteren Mädels.
Pressestimmen:
"Fünf Jungs. Fünf Freunde. Für immer? Die Hamburger Filmemacherin Tink Diaz hat ihren Sohn und seine vier Kumpels in einer hoch interessanten Langzeitstudie beobachtet.
Simon, Alex, Marek, Yuhan und Joey sind Kumpels. Schon seit Jahren. Joeys Mutter, die Filmemacherin Tink Diaz, ist fasziniert, dass die engen Bande auch noch Jahre nach dem Abi bestehen. Wird die Freundschaft der ungleichen Jungs halten, auch wenn sich ihre Wege im Studium trennen? In einer Langzeitstudie hat sie die zu Beginn Anfang-20-Jährigen zehn Jahre lang begleitet.
Die Low-Budget-Produktion, in der die Protagonisten erstaunlich und beeindruckend ehrlich sind, bietet einen spannenden Einblick ins (Seelen-) leben der Generation Y. Nach dem Abi sind die Träume noch groß: die Welt retten. Reich werden. Eine Familie gründen. Die Möglichkeiten der Berufswahl, der Lebensgestaltung scheinen unendlich - was Chance und Fluch gleichermaßen ist. Wofür sich entscheiden? Die orientierungslosen „Jungs“ hadern mit den eigenen Ansprüchen, mit Zukunftsängsten, der Liebe und mit Rollenbildern: Wie soll ‚Mann‘ auch gleichzeitig ein harter Kerl und sensibler Zuhörer sein?
Handkamera-Aufnahmen, teils von den fünf Freunden selbst gedreht, führen durch die Jahre. Durchs Studium, WGs, auf Reisen, durch Glücksmomente, Krisen und handfeste Depressionen. Es wachsen Bärte und Bäuche, während die Realität das Haupthaar und die Träume frisst.
Tink Diaz mischt stille Beobachtungen mit Interviews, zusammen ergibt das ein beeindruckendes Porträt von fünf jungen Männern, die sinnbildlich für eine ganze Generation stehen, die ihre hochfliegenden Erwartungen dem Leben anpassen müssen."
(Szene Hamburg Sept. 2018)
"Eine brillant gemachte Dokumentation über das Erwachsenwerden in unserer Gesellschaft."
(Lübecker Nachrichten)
Premiere DIE JUNGS Nordische Filmtage Nov. 2017 Lübeck
Ein Dokumentarfilmpreis beim Internationalen Filmwochenende in Würzburg 2018
Hamburg-Premiere 9.9.18 und Sondervorstellung 23.9. Abaton Kino HH

Wunderwerk Wald

15 Filme über naturnahe Waldwirtschaft im Auftrag der Stadt Lübeck, 2013/2014
Wir laufen mit unserer Kamera durch einige der vielen Buchenwälder in der Nähe von Lübeck und staunen. Woran liegt es, dass diese Wälder so märchenhaft schön sind? Vielleicht weil die Bäume hier nicht ordentlich in Reih und Glied stehen. Stattdessen dürfen alte neben jungen wachsen, und überall liegen abgestorbene Äste herum. Die Waldbäche sind nicht wie anderswo begradigt worden, sondern schlängeln sich in ihren jahrtausendealten Bachläufen zwischen vielen betagten Eichen, Buchen und Eschen hindurch. So bieten diese „Waldmeister-Buchenwälder“ einen Anblick, der unserem nordeuropäischen, von der Romantik geprägten Wald-Ideal näher kommt als manch ein sauber aufgeräumter, konventionell bewirtschafteter Wald in der Region.

Doch diese Wohltat für das Auge der Waldbesucher ist nicht das Hauptziel, sondern nur ein erfreulicher Nebeneffekt für die Lübecker Förster: Ihnen geht es zuallererst um die Erhaltung und die naturnahe, nachhaltige Bewirtschaftung dieser Wälder, die - verstreut im großen Umkreis um Lübeck herum – meist schon im Mittelalter in den Besitz der Hansestadt kamen.

Heute setzt man in Lübeck weder auf energie-intensive Kahlschläge, noch auf aufwendige und kostspielige Neupflanzungen. Stattdessen erlaubt man dem Wald, sich selbst durch natürliche Aussamung zu verjüngen. Auch verweigern sich die Förster vom Stadtwald Lübeck dem Druck von Industrie und Politik, vermehrt Holz einzuschlagen. In ihren Wäldern darf nur so viel Holz geerntet werden wie nachwachsen kann. Mit erstaunlich wenig forstlichen Eingriffen werden hier schwarze Zahlen geschrieben. So ist das Lübecker Modell inzwischen weltweit zu einem Modellprojekt für nachhaltige Waldwirtschaft geworden.

Neben einem 36-minütigen Hauptfilm über das gesamte Konzept, widmen sich 14 kürzere Filme den wichtigsten Teil-Aspekten der Lübecker Forstwirtschaft. Alle Filme sind über den Stadtwald Lübeck zu beziehen: www.stadtwald.luebeck.de

Klimawelten

Dokumentarfilm (63 Min.) ZDF/arte 2012
Der Film begleitet zwei junge Ethnologinnen bei ihrer Feldforschung an Orten, wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten: die kapverdische Insel Boa Vista vor der westafrikanischen Küste, wo es immer schneller noch heißer und noch trockener wird, und Churchill an der Hudson Bay im hohen Norden Kanadas, wo es zwar immer noch sehr kalt – aber längst nicht mehr kalt genug ist. Zum Beispiel für die Wappentiere von Churchill, der „Welthauptstadt der Eisbären“.

Jelena Adeli aus München und Claudia Grill aus Wien gehören zu einem Team von jungen Kultur- und Sozialwissenschaftlern, die durch ihre fast zwei Jahre andauernde teilnehmende Bobachtung erfahren wollen, wie die Bewohner der jetzt schon besonders betroffenen Regionen jenes Phänomen deuten und erleben, das im öffentlichen Diskurs der industrialisierten Welt mit Begriffen wie global warming oder Klimawandel umschrieben wird. So taucht Jelena Adeli zwei Jahre lang tief hinein in die Lebenswelt von dürregeplagten afrikanischen Bauern und Fischern auf Boa Vista. Zusammen mit der jungen Doktorandin lernen wir eine Reihe von lokalen Persönlichkeiten kennen. Zum Beispiel die Fischverkäuferin Tonia, die an manchen Tagen umsonst zum Hafen geht. Denn es gibt kaum noch Fische im viel zu warmen (und von ausländischen Fangflotten leergeräumten) Meer von Boa Vista.

Claudia Grill teilt die Lebenswelt ihrer Gesprächspartner am Rand der kanadischen Arktis auf besonders eindrückliche Weise. Die Wienerin lässt sich von „ihren“ Jägern, Fallenstellern und Hundeschlittenführern nicht nur Geschichten erzählen - über die Jagd auf Elche, Karibus und Eisbären, die Schlittenhunde töten, weil das Eis zu brüchig ist, um Robben zu fangen. Die handfeste Wissenschaftlerin packt beim Jagen und Fallenstellen auch selbst mit an und kann am Ende sogar ein eigenes Hundeschlittenteam führen.

Während die beiden Forscherinnen derart intensiv am Alltag ihrer Gesprächspartner teilnehmen, wollen sie herausfinden, ob die Zunahme von Dürre oder schmelzendem Eis von den Menschen der Region überhaupt wahrgenommen wird - und wenn ja: wie diese Veränderungen lokal gedeutet werden. Zum Beispiel als Strafe Gottes? Oder – ähnlich wie immer noch vielerorts in der industrialisierten Welt - als eine Art Wetterkapriole, die es „immer schon mal gegeben hat“? Claudias und Jelenas Ergebnisse sind verblüffend, wenn man bedenkt, dass ihre beiden Forschungsregionen heute zu den am stärksten von der Erderwärmung betroffenen Teilen der Welt zählen: So deuten die meisten von Claudias Gesprächspartnern das schmelzende Meer- und Landeis weder als von Menschen verursacht, noch als Bedrohung, sondern als Auswuchs natürlicher Kreisläufe. Nur 300 km weiter nördlich trifft Claudia dann auf Inuit, die das große Schmelzen aus einer wiederum ganz anderen, nicht minder überraschenden Perspektive betrachten....

The social facts of climate change – an ethnographic approach

Deutsche Forschungsgemeinschaft 2012 (22 Min.)
The film portrays the Junior Research Group “Climate Worlds” – an initiative of the Institute for Advanced Studies in the Humanities in Essen and the University of Bielefeld . Initially this project set out to study the way in which people in areas worst affected by climate change perceive and deal with its effects. However, the main focus of the film is a central methodological problem that the project´s four young ethnographers and political/social scientists were faced with when they entered their field: They realized that this abstraction called climate change can - even if it affects the whole globe - only be perceived in everyday life through locally-specific cultural codes. The film shows footage a fair part of which was shot by the reseachers themselves during their field studies in Canada, Africa, Japan and the Netherlands.

Lieben Sie Kitsch?

Kulturdokumentation arte/NDR 2009/2010

Kitsch in seinen verschiedenen Variationen umgibt uns heute mehr denn je: vom niedlichen über den romantischen, religiösen, mondänen, pompösen Kitsch bis hin zum Heimatkitsch, Retrokitsch, Ökokitsch - das Phänomen kennt keine Grenzen. Viele genießen den Kitsch, manche können ohne ihn nicht leben, andere wiederum verabscheuen ihn geradezu. Dabei ist er längst in die Tempel der Kunst eingezogen...

Der Film will wissen: was genau ist Kitsch, worin liegt seine Kraft, und warum ist er so allumfassend präsent? Stimmt die These des Medienwissenschaftlers Jürgen Grimm, dass Kitsch imstande ist, eine Art Balsam für die Seele zu spenden, den wir besonders in Zeiten der Angst benötigen?? Derselbe Balsam lässt sich wohl besser als Narkotikum interpretieren, kontert der Londoner Konzeptkünstler Matthias Aron Megyeri. Doch seine These wiederum kann die vielen lustvollen Gebrauchsweisen des Kitsches nicht ausreichend erklären...

Zum Beispiel „Miss Weltfrieden“: Die gute Kitschfee hat Flügel und schaut einnehmend freundlich in die Welt. Wenn die Sonne scheint und die Zeit reif ist, schwingt sie sich aufs Mofa und steuert große Plätze an, um ahnungslose Menschen mit ihrem zauberhaften Lächeln zu beglücken. Während ihr übermannsgroßer Teddybär die Menschen auf dem Platz umarmt, versprüht die rosa-gerüschte Miss Weltfrieden liebreizenden Charme. Und siehe da: nicht nur die Kinder strahlen...

Zuhause angekommen, verwandelt sich die Fee mit der rosig-blonden Perücke zurück in Nane Weber (31). Vehement verteidigt die Grafikerin den Kitsch gegen seine vielen Feinde: „Wenn es mir gelingt, mit einer solchen Kitschfigur die Menschen für einen Moment glücklich zu machen, warum soll ich es nicht tun??“

Auch Aline Kominsky-Crumb liebt so manches am Kitsch. Doch in ihrem Fall handelt es sich eher um eine Hassliebe:

Einerseits schwärmt die Künstlerin für die Opulenz und Farbenpracht religiöser Souvenirs. Das pralle Rot des triefenden Blutes der Kreuzigungs-Bildchen, das liebliche Gesicht der Madonna auf einer Tasse aus Lourdes. Aline Crumb sieht mit ihren Hello-Kitty-Ohrringen und rosa Stilettos selbst aus wie eine Art Gesamtkitschwerk. Doch in der bunten Verpackung steckt eine politisch-motivierte Querdenkerin, die auch die Kehrseite des Kitsches sieht: Seinen Hang zum Pathos und zur Rührseligkeit kann sie nicht ausstehen. Außerdem seien die Hersteller religiöser Kitsch-Mitbringsel nichts als zynische Geschäftemacher, die unser aller Sehnsucht nach Rührung und Spiritualität schamlos ausnutzen würden, schimpft die Amerikanerin. Und mit Kunst habe der Kitsch absolut garnichts zu tun!

Oh doch, behauptet der Philosoph Konrad Paul Liessmann: Kitsch sei längst Kunst geworden, Avantgarde sogar! Und das sei auch kein Wunder: Schließlich könne Kitsch den meisten Menschen weit mehr bieten als der kalte Minimalismus...

So wirft der essayistische Film einen neuen Blick auf ein Phänomen, das immer noch spaltet und mehr denn je fasziniert.

Die Prinzessin von Sansibar

Historische Dokumentation, NDR/arte 2008
zu beziehen über: www.ezef.de
Sansibar, 1866: Die junge Sayida Salme, eine der vielen Töchter des Sultans Said von Oman und Sansibar, begibt sich auf eine abenteuerliche Flucht. Weil sie schwanger ist - mit dem Kind eines Europäers. Salme konvertiert zum Christentum und heiratet den Vater ihres Kindes, einen Kaufmann aus Hamburg. In der Hansestadt beginnt eine anfangs von ihr selbst gewünschte Verwandlung der arabischen „Prinzessin“, wie man die Sayida hier nennt, in eine deutsche Bürgersgattin. Doch sie ist glücklich mit ihrem Mann Heinrich Ruete. Die beiden bekommen drei Kinder in schneller Folge. Dann wird Heinrich von einer Straßenbahn überrollt. Nach seinem Tod beginnt die Odyssée der jungen Frau mit ihren drei kleinen Kindern kreuz und quer durch Deutschland – auf der Suche nach Arbeit und einem Zuhause. Obwohl Salme schon bald gut Deutsch spricht, sehen die meisten Deutschen nur „die Exotin“ in ihr, eine alleinstehende Frau aus Arabien, die den gängigen Klischées von „der arabischen Frau“ so wenig entspricht. Gerade dies nimmt man ihr übel in Deutschland.

Salme entdeckt das Schreiben als Mittel gegen die Einsamkeit und das Heimweh: Detailliert wie eine Ethnografin beschreibt sie ihre Kindheit am Hof des Vaters, Sultan Said von Oman und Sansibar. Dabei vergleicht und kontrastiert sie ihre heimatliche Kultur und Religion immer wieder mit dem gesellschaftlichen und religiösen Leben, das sie in Deutschland vorfindet. Viele ihrer Beobachtungen und Vergleiche klingen heute - nach fast 150 Jahren - erstaunlich aktuell.

Im verzweifelten Wunsch zurückzukehren nach Sansibar, begeht Salme 1885 einen großen Fehler: Sie lässt sich von Reichskanzler Bismarck in ein Intrigenspiel gegen ihren Bruder Bargasch einspannen, der jetzt Sultan von Sansibar ist. Damit wird Salme - wenn auch wohl ungewollt - zu einer Unterstützerin der deutschen Kolonialbestrebungen in Ostafrika.
Eingebettet in den historischen Rahmen der Wilhelminischen Ära, erzählt der Film die Lebensgeschichte der wohl ersten muslimischen Frau, die in Deutschland eine Familie gründete und die hiesige Gesellschaft und Kultur mit sehr wachen Augen beobachtete.

Pressestimmen:
"Der Dokumentarfilm lässt sowohl die ostafrikanische Insel als auch das Deutschland des 19. Jahrhunderts wieder aufleben und erzählt auf beeindruckende Weise die dramatische Lebensgeschichte einer der ersten Musliminnen und Ausländerinnen in Deutschland." (Arte Programm-Magazin, Nov. 2007)
Von Genen, Mäusen und Menschen
Langzeitdokumentation für NDR/arte 2003, 52 Min.
Ein bahnbrechendes Gen-Forschungsexperiment an eineiigen Zwillingen? Die Virologin Dorothée von Laer hat ein Gen konstruiert, mit dem sie das HIV-Virus besiegen will. Zwei Zwillingspaare stellen sich als Versuchskaninchen zur Verfügung. Jeweils einer der Brüder ist HIV-positiv. Mit dem genveränderten Blut seines gesunden Bruders hofft er nun, die Krankheit zu besiegen. Doch es kommt ganz anders.
Mit Feuer und Flamme
Reportage, Radio Bremen 1998 - Unter deutschen Dächern, 45 Min.
Eine kleine Freiwillige Feuerwehr in der Elbmarsch hat ein ganzes Jahr lang... nichts zu tun.
Die Deutschen im Garten
Dokumentation, NDR 1996, 45 Min.
Passionierte Hobby-Gärtner in ihrem Metier: Der Luftwurzler-Freak, die Buxkugel-Fetischistin, die Bunker-Blumenfrau und die Schlachterin, die sich in ihrer Freizeit jahrelang mit Goethes Passion für Rosen befasst hat, alle Hinweise in seinen Werken auf die Königin aller Blumen auswendig kennt und nun seinen Garten in Weimar gestaltet.
Die Wilden kommen!
Eine Geschichte der Hagenbeckschen Völkerschauen.
30 Min., ZDF/arte, 1994
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatten die Bewohner großer deutscher Städte so exotische Tiere wie Giraffen schon oft im Zoo bestaunen können. Da waren die „Völkerausstellungen“, wie die Vorführungen „exotischer Menschen“ zwischen Tierkäfigen anfangs noch hießen, gleich eine viel größere Attraktion. Carl Hagenbeck ließ sie von seinen Tierfängern aus den entferntesten Winkeln der Erde herbeischaffen. Schon bei der allerersten „Völkerausstellung“ im Sommer 1874 in Hagenbecks erstem Tiergarten war das Publikum „geradezu enthusiasmiert“. (Carl Hagenbeck, Von Thieren und Menschen, 1909) In einem abgezäunten Areal zwischen den Tiergehegen hatte der Hamburger Impresario eine vierköpfige „Lappländerfamilie“ zusammen mit zwei Rentieren platziert. Hinter dem Bretterzaun drängelten sich die begeisterten Zuschauer. Später beschrieb Hagenbeck diese von ihm selbst noch mit einfachen Mitteln improvisierte Vorführung:
„Großes Interesse erregte jedesmal das Melken der Rentiere, und Aufsehen erregte geradezu die kleine Lappländerfrau, wenn sie ihrem Säugling in ihrer Naivität ganz ungestört die Brust reichte. Unsere Gäste waren eben unverfälschte Naturmenschen, die sich tief in ihrer Seele wohl wundern mochten, was denn an ihren einfachen Hantierungen eigentlich zu sehen sein sollte. Das ganze Unternehmen war mit einer gewissen Naivität und Unverfälschtheit ins Leben getreten und wurde auch so vorgeführt. Die Gäste aus dem hohen Norden hatten gar keine Begriffe von Schaustellungen und was damit zusammenhängt. Es wurde absolut keine Vorstellung gegeben. (ibid).

Doch mit solch relativ einfachen Vorführungen des vermeintlichen „Alltags“ der Zuschaugestellen war es bald vorbei: Denn Hagenbeck las aus den Ahs! und Ohs! der Zuschauer heraus, dass sie besonders fasziniert waren von den „Hantierungen“ und überhaupt allen Aktivitäten der Vorgeführten. Durch die Hervorhebung und Betonung der Andersartigkeit dieser Aktionen im Verhältnis zu allem was die Zuschauer kannten, konnte Hagenbeck das Spektakel immer weiter steigern. Und so wurden die Völkerausstellungen zu Völkerschauen: regelrechten Inszenierungen mit immer aufwendigeren Dramaturgien, Bühnenbildern und Kostümen. Die vielen Zurschaugestellten, die den Lappländern folgten, wurden nun vollends zu Darstellern eines Spektakels, das nichts mehr mit ihrem eigenen Leben zu tun hatte. Um nur wenige zu nennen: Inuit aus Grönland, Nubier und Somali, ‚die Feuerländer’, Singhalesen, Kikuyu, Mongolen, Shilluk.

Da besonders die nordamerikanischen Indianer schon die Phantasie weißer Schriftsteller befeuert hatten, mussten ihre realen Vertreter zwischen den hagenbeckschen Tiergehegen wie leibhaftige Figuren aus Coopers Lederstrumpf oder Mays Winnetou erscheinen: unbedingt kriegerisch! Aber auch edel, schweigsam und stolz. Auf diese Weise trugen die Völkerschauen mit dazu bei, dass in Europa von ganzen Kontinenten und ethnischen Gruppen Stereotypen geformt wurden, die den jeweiligen kulturellen Wirklichkeiten selten auch nur annähernd entsprachen, sondern stattdessen Klischées und Vorurteile untermauerten - und womöglich manchmal erst entstehen ließen.

Die Völkerschauen, bei denen Afrikaner vorgeführt wurden, illustrieren dieses Phänomen besonders deutlich: In den frühen Schauen mussten sie „nur“ tanzen, reiten und wie harmlose unschuldig-naive „Naturmenschen“ erscheinen. Die Zuschauerreaktionen in dieser frühen Völkerschau-Zeit waren ihnen gegenüber offenbar eher positiv-neugierig als herabwürdigend gestimmt - wenn auch mit einer Prise paternalistischer Herablassung.

1884 markiert jedoch eine Art Wendepunkt in der Geschichte der Völkerschauen - besonders deutlich sichtbar im Fall der afrikanischen. Die Darsteller aus verschiedenen Regionen Afrikas wurden nun immer mehr dazu angehalten, mit Keulen oder Schwertern herumzufuchteln. Statt wie früher nur harmlos herumzusitzen und vielleicht noch ein bisschen nett herumzureitenreiten, sollten sie nun ein unverständliches Geheul anstimmen und vor allem wild und gefährlich wirken. Manchmal wurden sie schon gleich als „halbnackte Neger“ angekündigt.

Es is kein Zufall, dass diese Zunahme einer negativen Stereotypisierung des „Afrikaners“ als gefährlicher, unzurechenbarer, primitiver „Wilder“ in den Völkerschauen ab 1884 mit dem Beginn von Deutschlands Kolonialeroberungen vor allem in Afrika zusammenfällt. Die Völkerschauen sollten diese brutalen Inbesitznahmen, insbesondere auch den Genozid an den Herero und Nama rechtfertigen. Und in der Tat wurden nun umgehend „Hottentotten“, „Kaffern“ und „Buschmänner“ aus „Deutsch-Südwestafrika“, sowie „Togo-Neger“ herbeigeschifft, um dem deutschen Publikum als primitive Wilde und Kannibalen präsentiert zu werden. Die Völkerschau-Veranstalter ließen sich mit vor diesen kolonialen Karren spannen. So mussten etwa „die Äthiopier“, die 1910 in Hagenbecks Tierpark in Hamburg-Stellingen auftraten, gleich am Anfang jeder Vorstellung genau das Verhalten vorspielen, das sie in den Augen ihrer Betrachter am offensichtlichsten in die Nähe der Tierwelt rückte:
„Ein Schwarzer hockte wie ein Affe am Vorderrand des Bootes. Widerlich ist es, dem oft sogleich beginnenden Mahle der Eingeborenen zuzuschauen, insbesondere, wenn sie das rohe, blutende Fleisch gleich Geiern herunterwürgen“.
(Carl Hagenbecks Illustrierte Tier- und Menschenwelt, 1927)

Die Völkerschau-Berichterstattung in den 1920er Jahren spiegelt die weitere Verdüsterung des Schwarzenbildes in Deutschland (befeuert vor allem durch die „Schmach von Versaille“ und die angeblichen Vergewaltigungen deutscher Frauen durch schwarze französiche Soldaten im Rheinland): Aus vielen Zeilen spricht nun ein regelrechter Hass - meist gepaart mit sexuell eingefärbten Angstbildern. Zum Beispiel zur „Negerschau“ von 1921:
„Auf die vorzüglichen Tierdressuren folgte die Vorführung von Negern..Heute konnte man am Zaune ein etwa 22-jähriges Mädchen lehnen sehen, fast Kopf an Kopf mit einem der Neger! Sie umwarb ihn förmlich mit ihren Blicken, scherzte mit ihm und verlangte Schokolade. Pfui! Deutsche Frauen, seht euch diese sinnlichen Lippen, diese tierischen Tänze an und ihr werdet das Leid ermessen können, das die Entente mit dieser schwarzen Schmach über uns brachte.“
(Hannoverscher Kurier, 11. Mai 1921)

So trugen die Völkerschau-Inszenierungen von Zoo-Unternehmern wie Hagenbeck mit dazu bei, rassistische Vorurteile zu festigen, die bis heute alles andere als verschwunden sind.
Viele der in deutschen Zoos Zurschaugestellten konnten nie mehr in ihre Heimat zurückkehren. Sie erkrankten oder nahmen sich das Leben.

Wir hatten eine Dora in Südwest
Dokumentarfilm, 1992, 72 Min., Filmförderung Hamburg und WDR; Verleih: EZEF/ Matthias-Film Stuttgart www.ezef.de
„Deutschsüdwestafrika“ 1904/05: Nach dem Vollzug des Genozids an den Herero und Nama durch die deutschen Offiziere und Soldaten der „Schutztruppe“ dürfen eben diese aus Hamburg herbeigeschifften Quasi-Legionäre mit Erlaubnis aus Berlin große Teile des landwirtschaftlich nutzbaren Landes in ihren persönlichen Besitz nehmen. Dass sich die frisch gebackenen Farmbesitzer viele einheimische Frauen - auch die noch verbliebenen Frauen und Töchter der ermordeten Herero und Nama - mit Gewalt gefügig machen, wird in Berlin erstmal geflissentlich ignoriert. Doch bald schon wollen die vielen „Mischlinge“ nicht ins Bild vom weißen Idyll in Afrika passen.
Berlin 1907: Einflussreiche Herren aus Handel und Politik betrachten die Zunahme der „Mischlingsbevölkerung“ in den deutschen Kolonien als ernste Gefahr. Die weitere „Verkafferung unserer deutschen Männer in Afrika“ könne nur mit der Entsendung von deutschen Mädchen und Frauen verhindert werden. Der eigens zu diesem Zweck gegründete „Deutsch-Koloniale Frauenbund“ wird von nun an bis 1945 Tausende von gebärfähigen Mädchen und Frauen vor allem nach „Deutsch-Südwest“ schicken. Sie sollen dort das „Deutschtum rein halten“ helfen. Bald lernen sie in der ersten „Kolonialen Frauenschule“ - neben Kochen, Reiten und Schießen - sich selbst als rassenbiologische Wächterinnen der deutschen Vorherrschaft zu betrachten.
In der NS-Zeit darf sich die Koloniale Frauenschule in Rendsburg über so viele Schülerinnen wie nie zuvor freuen. Einige von ihnen leben heute noch in Namibia (heute meint hier die Drehzeit des Films zwischen 1988 und 90). Die meisten verteidigen nach wie vor die kulturelle und „rassische“ Überlegenheit der Weißen, insbesondere der vielen deutschen Farmer in Namibia, gegenüber der schwarzen Bevölkerung. „Mischehen“ sind diesen „Kolos“, wie sich die ehemaligen Kolonial-Schülerinnen bis heute nennen, nach wie vor ein Dorn im Auge.
Der Film erzählt die Geschichte des Kolonialen Frauenbundes und seiner rassenhygienischen Mission mithilfe einer Collage von Zeitzeugen-Interviews, historischen Archivaufnahmen und kurzen Spiel-Vignetten.
Pressestimmen:
"Das Spannende am Dokumentarfilmdebüt von Tink Diaz ist die Gegensätzlichkeit der Bilder. Da spricht etwa eine der Kolo-Damen noch heute davon, dass schwarze Hausangestellte nicht kochen und nähen können, und diese Aussage wird kontrastiert mit historischen Filmausschnitten, die schwarze Frauen genau bei der Verrichtung dieser Tätigkeit zeigen." (NDR Abendjournal, Sept. 1992)
"Rassenwahn in Deutsch-Südwest... Es ist vor allem die Darstellung des ungebrochen reaktionären Bewusstseins in der ehemaligen Kolonie, heute Namibia, die Tink Diaz’ Film so sehenswert macht" (Taz, 28.9. 1992)